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GESCHICHTE

S’Umbricht-Hus
I de 80er-Johr isch’s nüm so guet zwäg
Das Umbrichthus am Chilewäg
De Gmeindrat bestimmt – und nüd knapp
Die alte Hütte, die rissed mer ab
Und füehred Dorfstross dänn det düre
Bis is Quartier Zelgli füre
Und eso chönted mer do
De scharfi Bärerank umgo.
Halt aber, s händ paar Manne da
E viel besseri Lösig gha
Mer mached us dem Umbricht-Hus
Es ehrwürdigs Museum drus
Und dank dene paar Initiante
Hämmer hüt das intressante
Sorgfältig gfüehrte allemal
Museum da im Siggethal
Theophil
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Zeichnung von Roland Eichenberger

Im Folgenden ist ein Auszug aus der Informationsschrift von Kurt Rey über das Ortsmuseum Untersiggenthal (verfasst 2005) zu lesen. Ergänzend dazu sind Gedichte von Werner Thomann alias Theophil und Zeichnungen von Roland Eichenberger eingefügt:
 
EIN STATTLICHES BAUERNHAUS

Pauli Hitz, der Inhaber der gegenüberliegenden Wirtschaft «Zum Bären», liess 1797, ein Jahr vor dem Untergang der Alten Eidgenossenschaft, das schöne Bauernhaus längs der Strasse hinter dem Bach errichten. Nicht mehr Stroh, sondern Biberschwanzziegel deckten den mächtigen Dachstuhl. So ausgewogen die äussere Gestaltung des Mittertennhauses erscheint, so klar und übersichtlich wurden die Räume im Innern angeordnet: Die Wohnräume im Erdgeschoss, die Schlaf- und Vorratsräume im Obergeschoss. Ein gewölbter Keller schliesslich sollte die Früchte der Felder bewahren.

...VERKOMMT ZUM ABBRUCHOBJEKT…

 

Das Haus mag im Verlauf der Zeit wenige kleine Anbauten erhalten haben, bedeutende Umbauten hingegen wurden nicht vorgenommen. Die letzten Bewohner, Marie und August Umbricht, zwei ledige Geschwister, begnügten sich mit dem ererbten Bestand und bewirtschafteten den kleinen Betrieb bis zu ihrem Tod in den 60er-Jahren. So blieb die ursprüngliche Bausubstanz wohl erhalten, sie verwahrloste aber mehr und mehr. Schliesslich erwarb die Einwohnergemeinde das Gebäude als Abbruchobjekt, es sollte einem grosszügigen Strassenausbau weichen.

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…UND WIRD ZUM ORTSMUSEUM

Schon während Jahren hatte man sich innerhalb der Ortsbürgerkommission mit dem Gedanken beschäftigt, ein der bäuerlichen Welt gewidmetes Museum zu errichten, entwickelte sich das einstige Bauerndorf doch mehr und mehr zu einer Wohngemeinde. Zum Glück fand bezüglich Ortsplanung ein Umdenken statt und die Strassenausbaupläne wurden verworfen. In dieser Zeit wagte Untersiggenthal den Schritt: Die Einwohnergemeinde trat die alte Liegenschaft dauernd und kostenlos im Baurecht an die Ortsbürgergemeinde ab, die ihrerseits beschloss, das Haus zu renovieren und darin ein Bauernortsmuseum einzurichten. Die feierliche Eröffnung erfolgte im Sommer 1980. Eine fünfköpfige Museumskommission betreut seither zusammen mit einem Hauswart das Gebäude und das Ausstellungsgut.

Die Ausrichtung auf ein reines Bauernmuseum mit ausschliesslich bäuerlichen Gerätschaften wurde bald einmal als zu eng empfunden. Nach und nach kamen darum auch Werkzeuge des Schreiners, Maurers, Schlossers, Metzgers und sogar die ganze Einrichtung einer Schuhmacherwerkstatt dazu. Leihgaben der Kantonsarchäologie und des Historischen Museums Baden, zum Beispiel das Bronzeschwert aus dem Stroppelkanal und Keramik aus der neolithischen Höhensiedlung Heidechuchi auf Bürglen, dokumentieren die Urgeschichte der Gemeinde. Auch die Entstehung und der Untergang der Burg Freudenau werden anhand zahlreicher Fundobjekte dargestellt.

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Zeichnung von Roland Eichenberger

Von Anfang an wurden Räume für Sonderausstellungen frei gehalten. Die Themen sind vielfältig: frühe Bilddokumente der Gemeinde, Lebensstationen, Industriegeschichte, Stroppel und Schiffmühle, Feuerwehr, Wasserversorgung. Themen wie «Textile Techniken», «Wäsche und Glette» oder «Bache und Guetsle» haben die Besucher daran erinnert, wie häusliche Tätigkeiten früher ausgeübt wurden. Vereine haben zudem Gelegenheit, ihre Vereinsgeschichte anlässlich eines Jubiläums darzustellen, Sammler können ihre Schätze einem breiten Publikum präsentieren. Diese Sonderausstellungen sind es, welche das Ortsmuseum lebendig erhalten und einen Besuch immer wieder lohnenswert machen.

Das Museum Untersiggenthal ist in den vergangenen Jahrzehnten ein Ort geworden, an dem sich Angehörige der älteren Generation erinnern, mit welchen Werkzeugen und Geräten sie selber noch gearbeitet haben. Sie haben noch das Wissen darüber, wie hart und mühsam die tägliche Arbeit im Haus und auf dem Feld war. Für Kinder ist das Museum ein Ort des Lernens. Sie staunen oft und wundern sich über die einfach eingerichtete Küche mit Schüttstein, Holzherd und offenem Rauchfang, über Waschzuber, Waschbrett und Kernseife, über Dreschflegel, Backmulde und Brotschüssel. Für die allermeisten Jugendlichen eine verschwundene Welt, die im Museum wieder lebendig wird.

 

DIE BEWOHNER

Pauli Hitz, dessen Name am Scheitel des hölzernen Tennportals eingeschnitzt ist, war Inhaber der gegenüberliegenden Wirtschaft «zum Bären». Er hat wohl nicht in seinem neuen Haus gewohnt. Seit jeher waren «s’Scherers» in dem stattlichen Gebäude zuhause. Auch die letzten beiden Generationen, die den im Dorf verbreiteten Familiennamen Umbricht trugen, blieben «s’Scherers» oder «s’Bissers».

Zahlreiche landwirtschaftliche Geräte und kleinere Gegenstände gelangten mit dem Haus im Jahre 1969 in den Besitz der Gemeinde. Für die Lebensgeschichte der letzten Bewohner gibt ein gut erhaltenes Buch viele Hinweise: Es ist ein Handbuch für den Hausgottesdienst, verfasst von Pater Leonhard Goffine, erschienen 1879. Handschriftlich sind die Stammbäume der letzten Hausbewohner eingefügt. Diese Eintragungen bringen etwas Licht in die Familiengeschichte der Umbrichts und Scherers:

Der Maurer Josef Leonz Scherer, geb. 1823, heiratete 1853 die ein Jahr jüngere Maria Caecilia Herzog aus Ennetbaden. Das Ehepaar hatte zwei Töchter. Die ältere, Luise Genovefa, verheiratete sich mit Joh. August Schmid von Würenlingen. Damit ergab sich für Siegfried Umbricht von Untersiggingen die Gelegenheit, durch die Heirat mit der jüngeren der beiden Töchter, Maria Caecilia, ins Haus der Scherers einzuziehen. Er hat sich eingeweibt, wie man sagte. Der Hausname «s’Scherers» aber blieb bestehen.

Zur Trauung begab sich das junge Paar nach Einsiedeln in die Klosterkirche, was damals wohl aussergewöhnlich war. Dort hat das Ehepaar wohl auch das Hausgebetsbuch, die «Goffine», erhalten.

 

DER STAMMBAUM

Der Stammbaum im Hausgebetsbuch gibt über die Nachkommen des Ehepaares Auskunft. Drei Kinder wurden geboren. Sie sollten aber die letzten des Zweiges bleiben.

Johann August Umbricht (geb. 1886), Josef Umbricht (geb. 1889) und
Marie Umbricht (geb. 1897)

Josef verstarb als Kleinkind im Alter von knapp 2 Jahren. Ein rührendes Andenken an ihn ist im Haus über all die Jahre verblieben: In einem schwarzen Holzkästchen mit Kunststoffblumen, geschützt durch eine Glasplatte, ist zu lesen: Engelrein und ohne Sünden, liess mich Gott der Welt entschwinden.

Auch an die beiden anderen Kinder blieben kleine Andenken zurück. Neben zahlreichen Heiligenbildchen, eingelegt zwischen die Blätter der «Goffine», haben sich die Aufnahmebestätigungen in die Bruderschaft des heiligen Rosenkranzes erhalten, die der damalige Pfarrer Schürmann in Kirchdorf ausgestellt hatte.

 

August und Marie
Bevor das Haus Museum war
Wohnte hier s’Geschwisterpaar
Der Umbricht August und d’Marie
Man sagt heute, da hätten sie
Gestritten fast in einem fort
Der August hätt stets s’letzte Wort.
 
Ja, ja der August de heb da
Tatsächlich s’letzte Wort immer gha
Es seigi immer e so gsi
Heb immer gseit: ja, ja Marie
Denn sie, sie hebi in der Tat
Doch immer gseit wos dure gaht.
Theophil

 

Marie und August Umbricht blieben ledig. Sie bewirtschafteten nach dem Tod ihrer Eltern den Bauernbetrieb allein. Das Leben in der Zwischenkriegszeit war für alle nicht leicht. In einem ebenfalls im Haus verbliebenen Büchlein, dem «Wirz’s Schreibkalender für schweizerische Landwirte 1924», führte August Buch über Taglöhnerarbeiten, Obstverkäufe und auch Akkordarbeiten im Wald. In der Nachkriegszeit, als sich die Situation allgemein verbesserte, hätte für das Geschwisterpaar vieles auch leichter werden können, doch sie verblieben in Genügsamkeit und Sparsamkeit. Keine Neuerung hielt Einzug im Haus, in der Küche diente der uralte Holzherd weiterhin, Wasser holte man tunlichst beim Brunnen an der Strasse… Immerhin, August Umbricht war einer der ersten Bauern im Dorf, der über einen Traktor (Steyer 1 Zylinder) verfügte. Beim Pflügen steuerte Marie jeweils den Traktor und August wendete den Pflug. Doch sonst blieb die Zeit im Haus hinter dem Bärenbach stehen.

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Wasser
Es hät bis Umbrichts im Hus da
Halt no kei flüssends Wasser gha
D’Marie hät s’Wasser gholt det änne
Immer bim Schmittebrunne änne
Doch dänn hät d’Gmeind das Hus agschlosse
Und scho isch s’Wasser ir Chuchi gflosse.
Jetzt hät d’Marie dank dere neue
Errungeschaft sich chönne freue
Doch scho bald nach nur wenig Jahre
Hät d’Marie vo der Gmeind erfahre
En Aktion wird dure gfüert
Und Wasseruhre i de Hüser montiert
Jetzt sett d’Marie neb ihrem schmale
Budget au noch Wasser zahle
Nein nei mini Here da wird nur befohle
Aber ich go wieder s’Wasser am Brunne go hole.
Theophil

 

August Umbricht galt als recht zugänglich und offen, Marie Umbricht jedoch wurde als ziemlich mürrische Person wahrgenommen.

August starb 76-jährig am 21. April 1962. Er war beim Schneiden der Rebe vor dem Haus von der Leiter gestürzt. Marie überlebte ihren Bruder um 6 Jahre. Nach einem Schwächeanfall schleppte sie sich noch bis ins Nachbarhaus, dort brach sie im Hausflur zusammen und starb.

Mit Marie und August Umbricht, dem ledigen Geschwisterpaar, endete dieser Zweig des Geschlechtes Umbricht.

 

(aus: Ortsmuseum Untersiggenthal, Kurt Rey, 2005)

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